Aufgrund meines Alters und vor allem aufgrund meines Berufes als Psychiater und Psychotherapeut hatte ich schon des Öfteren sowohl aktiv als auch in passiver Form mit Krisen zu tun. So wurde ich, zum Beispiel, vor vielen Jahren nach dem Absturz der Lauda Air Maschine nach Bangkok beordert, um Krisenintervention bei den Angehörigen der Toten durchzuführen.
Aus dem aktuellen Anlass des Hochwassers, bei dem einige Menschen ihre materielle Existenz eingebüßt haben, ist es mir ein Anliegen darüber zu schreiben. Auch ich war davon betroffen - allerdings nicht so dramatisch.
Der Begriff Krise stammt aus dem Griechischen und bedeutet Entscheidung. „Gehe ich nach links oder nach rechts“, ist, nicht selten metaphorisch betrachtet, eine existentielle Situation. Oft genug kann die eine Seite den Tod, die andere Seite das Glück bedeuten. Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass ich nicht weiß, welche Seite die Richtige ist. Das Gefühl - das sogenannte „Bauchgefühl" - ist oft genug der einzige Ratgeber. Dieser steht im Konflikt mit der Ratio, die uns oft einen falschen Weg leitet.
Gefühlsmäßig hat Krise immer etwas mit Angst zu tun. Angst ist, wie wir alle wissen, ein schlechter Ratgeber und es geht darum, die Angst zu bewältigen. Die Aussage „er oder sie hat eine mutige Entscheidung getroffen“, ist im Sprachgebrauch verankert und weist klar daraufhin, dass Krisenbewältigung etwas mit Mut zu tun hat - Mut die Krise anzunehmen, Mut Veränderung zu akzeptieren, Mut Unterstützung und Hilfe anzunehmen und auch den Glauben an Besserung nicht zu verlieren. Letztendlich ist es die Angst vor dem Tode, die uns hier begegnet.
Natürlich gibt es zahlreiche Krisenbewältigungsstrategien, die sinngemäß von sich behaupten: „So ist es richtig“. Aber die Erkenntnis, dass Krisenbewältigung eigentlich bedeutet, die Angst vor dem Tod zu obsiegen, trifft es im Kern.
Um das Beispiel mit dem Hochwasser herzunehmen, war wahrscheinlich die Todesangst nicht im Bewusstsein der Betroffenen, sondern die Sorge um materielle Verluste, sowie Existenzängste. Sollte der Betroffene / die Betroffene sich eines Fachmannes / einer Fachfrau der Krisenbewältigung bedienen, so würde in dieser Arbeit über kurz oder lang die Todesangst Thema werden.
Das ist auch der Schüssel, dass ich bei der Entscheidung nach links oder rechts zu gehen, die für mich Richtige treffen werde, weil ich eine klare Sicht für die Notwendigkeiten entwickle.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Bilek